Nach Flucht vor der Haft: Bündnis fordert Aufklärung von Behörden im Fall Liebich

Am gestrigen Tage sollte Marla Svenja Liebich, bundesweit bekannt als Neonazi Sven Liebich, eine Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten in der JVA Chemnitz antreten. Doch Liebich erschien nicht in der Haftanstalt, wie die für die Strafvollstreckung zuständige Staatsanwaltschaft Halle gegenüber Medien bestätigte. Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage fordert nun Aufklärung von den zuständigen Behörden.

Betroffene der Taten von Liebich haben jahrelang dafür gekämpft, dass die Justiz sie als Straftaten erkennt und als solche auch verurteilt. Dabei mussten sich die Betroffenen nicht nur gegen Liebich zu Wehr setzen, sondern waren auch mit einer Staatsanwaltschaft Halle konfrontiert, die über Jahre Verfahren mit teils grotesken, rechtlich nicht mehr nachvollziehbaren Begründungen eingestellt hat. Allein im Berufungsprozess vor dem Landgericht Halle im Jahr 2024 war Liebich wegen 17 Taten verurteilt worden. Bei 12 davon hatte die Staatsanwaltschaft Halle die Verfahren zunächst eingestellt. Über sie konnte das Gericht nur entscheiden, weil Betroffene gegen die Einstellungen Rechtsmittel eingelegt hatten. „Die Haftstrafe, welche Liebich gestern antreten sollte, wäre so gar nicht ausgesprochen worden, hätten Betroffene nicht mit anwaltlicher Vertretung dafür gekämpft“, betont Valentin Hacken von Halle gegen Rechts.

„Aus Sicht der Betroffenen ist es nicht nachvollziehbar, wie sich hier in einem bundesweit diskutierten Fall, beobachtet vom Verfassungsschutz und bereits 2021 im damaligen GETZ-R* thematisiert, vor allen Augen eine extrem rechte Person der Haft entziehen kann“, so Hacken weiter. Halle gegen Rechts weist darauf hin, dass Liebich bereits 2018 im Zusammenhang mit einer Dursuchung angab auf der Flucht zu sein. Der damals von Liebich betriebene Blog „halle-leaks.de“ schrieb dazu, „Sven ist grad im Untergrund. […] Kämpft weiter.“ Im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Halle 2024 hatte Liebich selbst ausgeführt, Anfang der 00er-Jahre, als Liebich spurlos aus der Öffentlichkeit verschwunden war, über den Kontakt eines mutmaßlichen Blood & Honour-Mitglieds ein Haus in England zur Verfügung gestellt bekommen zu haben.

Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage fordert nun schnellstmögliche Aufklärung von den Behörden. Das Bündnis verlangt unter anderem Aufklärung zu den folgenden Fragen:

  • Lagen den zuständigen Behörden keine Anhaltspunkte für eine Flucht vor?
  • Ging die zuständige Staatsanwaltschaft Halle tatsächlich davon aus, Liebich würde einfach so die Haft antreten?
  • Waren die Behörden von einer Flugreise Liebichs im Vorfeld des Haftantritts, wie von Liebich veröffentlicht, informiert?

Gleichzeitig erwartet das Bündnis, dass nun alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um den Haftbefehl gegen Liebich zu vollstrecken. Halle gegen Rechts kritisiert dabei auch, die Staatsanwaltschaft Halle sende damit erneut das Signal, dass extrem rechte Täter*innen die Behörde nicht ernst zunehmen brauchten. Zudem warnt das Bündnis davor, Behauptungen von Liebich zu einem angeblichen Aufenthalt in Russland ungeprüft zu übernehmen. Liebich hat über die Jahre zahllose Falschinformationen verbreitet.

*Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum