Sehr geehrter Herr Dr. Vogt,
wir schreiben Ihnen heute in großer Sorge:
Wenige Jahre nach dem rechtsterroristischen Anschlag von Halle, in einer Zeit, in der antisemitische Drohungen, rassistische Angriffe und rechte Hetze Alltag sind, sehen wir in unserer Stadt einen neuen, gefährlichen Schulterschluss: Mit Ihren Aussagen zur Nichtnotwendigkeit der Brandmauer gegen Rechts auf kommunaler Ebene erklären Sie öffentlich Ihre Bereitschaft zur politischen Zusammenarbeit mit der rechtsextremen AfD.
Bei einem Gespräch im Ratshof am 29. April sagten Sie laut Mitteldeutscher Zeitung: „Solange die Äußerungen der AfD im Stadtrat verfassungskonform sind, werde ich auch mit der AfD zusammenarbeiten.“ Und: „Eine Brandmauer gibt es für mich auf kommunaler Ebene nicht.“ Die Zusammenarbeit mit der AfD sei demnach möglich, solange diese keine roten Linien überschreite. Doch solche roten Linien existieren nur noch in der Theorie – die AfD hat längst jede einzelne überschritten.
Diese Aussagen sind brandgefährlich. Denn sie verkennen, was die AfD ist: eine in Teilen faschistische, in Gänze extrem rechte Partei, die offen rassistische, antisemitische und verfassungsfeindliche Positionen vertritt. Die AfD arbeitet gezielt daran, die Demokratie zu beseitigen. Auf kommunaler Ebene genauso, wie auf allen anderen Ebenen. Das hat nicht zuletzt auch endlich der Verfassungsschutz bestätigt, der die AfD inzwischen bundesweit als gesichert rechtsextrem einstuft.
Ein Blick in den halleschen Stadtrat genügt, um zu sehen, was das konkret bedeutet: Donatus Schmidt, AfD-Stadtrat, trat in seiner ersten Amtszeit wegen antisemitischer Äußerungen zurück – heute sitzt er wieder für die AfD im Stadtrat. Seine Nähe zu rechtsextremen Netzwerken, seine verschwörungsideologische Rhetorik, seine Beteiligung an rechten Demonstrationen: all das ist öffentlich bekannt. Auch weitere Fraktionsmitglieder haben sich in der Vergangenheit rassistisch und demokratiefeindlich geäußert und sind aktuell Teil extrem rechter Netzwerke.
Dennoch erklären Sie, Herr Oberbürgermeister Vogt, eine politische Zusammenarbeit mit der AfD sei möglich.
Das sendet ein verheerendes Signal an jene, die von der Hetze und Feindmarkierung der AfD betroffen sind. Das ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die seit vielen Jahren und nicht selten begleitet von massiven Anfeindungen für die Verteidigung der Demokratie arbeiten. Demokratie bedeutet und verlangt die dezidierte Gegnerschaft gegen die extreme Rechte und ihren parlamentarischen Arm. Wer das im Jahr 2025 und angesichts der Entwicklungen in der Welt nicht verstanden hat, wird schneller, als wir uns vorstellen können, in einer autoritären Gesellschaft ohne jede Individualität, ohne Freiheit, ohne Wahl aufwachen.
Diese Botschaft, verbunden mit der Unsichtbarmachung des „Dienstleistungszentrums für Integration und Demokratie“, schadet unserer Stadt. Wer Demokratieförderung abbaut und gleichzeitig die AfD politisch normalisieren will, schwächt die offene Gesellschaft und stärkt ihre Feinde. Er macht Halle für all jene, die von der Hetze der extremen Rechten betroffen sind, zu einem unsichereren Ort. Er lässt auch diejenigen im Stich, die als demokratische Zivilgesellschaft tagtäglich Demokratie verteidigen.
Wir sagen klar:
Die AfD ist eine extrem rechte Partei. Wer mit ihr kooperiert, stärkt sie und schwächt die Demokratie.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sie sind mehr als ein Hauptverwaltungsbeamter. Sie sind der oberste politische Repräsentant unserer Stadt. Als solcher erwarten wir von Ihnen:
- Eine unmissverständliche Absage an jede Form der politischen Zusammenarbeit mit der AfD – auf kommunaler wie auf jeder anderen Ebene.
- Eine politische Haltung und politische Entscheidungen, die Demokrat*innen stärken – und sich konsequent von denen abgrenzen, die unsere Demokratie untergraben wollen.
- Eine Stadtpolitik, die sich aktiv, sichtbar und wirksam gegen rechte Hetze, Antisemitismus und Rassismus stellt – statt deren Vertreter salonfähig zu machen.
Halle braucht kein falsches „Neutralitätsgebot“, sondern eine klare Haltung gegen die demokratiefeindlichen Positionen der AfD. Die Verantwortung liegt bei allen Demokrat*innen dieser Stadt.
Für eine freie, vielfältige, solidarische Stadtgesellschaft.
Für eine klare Brandmauer gegen rechts.
Kein Schulterschluss mit der AfD – nicht in Halle, nicht anderswo.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
wir haben unsere Kritik klar, direkt und angesichts des öffentlichen Charakters Ihrer Äußerungen auch öffentlich formuliert.
Zugleich laden wir Sie dazu ein, insbesondere auch zu den Herausforderungen, vor denen alle stehen, die für die freie, offene Gesellschaft und die Demokratie arbeiten, ins Gespräch und den vertiefenden Austausch zu kommen.
Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage
Unterzeichner*innen
- Kreisverband Bündnis 90 Die Grünen Halle
- SPD Fraktion der Stadt Halle (Saale)
- Fraktion Volt MitBürger im Stadtrat der Stadt Halle (Saale)
- Die Partei Kreisverband Halle/Saale
- Jusos Halle (Saale)
- Grüne Jugend Halle (Saale)
- Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V.
- Jedermensch e.V.
- Aktionstheater Halle e.V.
- Kulturwerkstatt Grüne Villa
- AWO SPI Soziale Stadt und Land Entwicklungsgesellschaft mbH
- AWO Regionalverband Halle-Merseburg e.V.
- Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Ortsgruppe Halle
- Echo Halle (Saale)
- Junges Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Halle (Saale)
- Arbeitskreis gegen Antisemitismus des Studierendenrates der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
- Amnesty International Halle (Saale)
- Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt (LAMSA) e.V.
- Corax e. V. – Initiative für Freies Radio
- Buchhandlung heiter bis wolkig
- Anwohner*inneninitiative Adam-Kuckhoff-Straße
- Begegnungs- und Beratungs-Zentrum lebensart e.V.
- Riesenklein gGmbH
- 38Punkt BuchDruckAtelier
- Sozialistisch-demokratischer Studierendenverband (SDS) Halle (Saale)
- Fridays for Future Halle (Saale)
- Ver.di Bezirk Sachsen-Anhalt Süd
- Friedenskreis Halle e.V.
- DJversity! Feminismus in der Clubkultur
- Vorstand der Werkleitz Gesellschaft e.V.
- ROSENPICTURES Filmproduktion
- Kulturbühne Neustadt e.V.
Einzelpersonen:
- Micha Hübel
- Rebekka Neumann
- Luna Möbius
- Magdalena Gatz
- Elisabeth Kupzok
- Evmarie Lang
- Mareike Mikat
- Julius Neumann
- Dörte Jacobi
- Stephan Scherf
- Johannes Krel
- Katja Häder
- Barbara Höckmann
- Lars Schulz
- Ray Peter Maletzki
- Stephan Helmut Beier
- Holger Reißig
- Catalina Möwes
- Petra ReichenbachThomas Brück
- Filip Van Rossem
- Daniela Föst
- Carolin Haentjes
- Ayla Güney
- Uta Martha Göttsching
- Linn Köhler
- Torsten Hahnel
- Lucie Friederike Mueller
- Ulrike Jänichen
- Annette Friedrich
- Christine Koschmieder
- Linda Moritz
- Maria Bastille
- Matthias Ritzmann
- Rebekka Gewandt
- Anne Kube
- Henriette Quade
- Luisa Schönfelder