Pressemitteilung – 2. August 2024
Berufungsverfahren gegen Sven Liebich: Neonazi muss in Haft
Im Berufungsverfahren gegen den Neonazi Sven Liebich hat das Landgericht Halle (Saale) heute mit der Urteilsverkündung die Entscheidung erster Instanz bestätigt: Der Neonazi muss für ein Jahr und sechs Monate in Haft. Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage begrüßt das Urteil, weist aber gleichzeitig auf ein jahrelanges Versagen der Justiz in dem Fall hin.
In erster Instanz hatte das Amtsgericht Halle (Saale) den Neonazi Sven Liebich u.a. wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Billigung von Straftaten zu einem Jahr und sechs Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Die hiergegen gerichteten Berufungsanträge der Staatsanwaltschaft Halle (Saale) und des Neonazis wies das Landgericht nun zurück und bestätigte damit das Urteil des Amtsgerichts. Der Neonazi hatte Freispruch oder jedenfalls eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung gefordert, die Staatsanwaltschaft zwei Jahre Haft. Liebich wurde zudem verurteilt, die notwendigen Auslagen von Betroffenen zu tragen, die im Verfahren als Neben- und Adhäsionskläger:innen ihre Rechte wahrgenommen hatten. An zwei Betroffene muss er zusätzlich jeweils 1.000,- und 500,- Euro zahlen. Die anderthalb Jahre Haft wurden als Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung früherer Verurteilungen ausgesprochen.
„Wir sind sehr zufrieden mit dem Urteil“, äußerte sich Katharina Hindelang, Sprecherin von Halle gegen Rechts. „Es ist vor allem ein Erfolg der Betroffenen, die sich seit vielen Jahren gegen die massiven und oftmals widerlichen Herabwürdigungen durch den Neonazi wehren“, so die Sprecherin weiter. Unter dem Motto „Neonazi Sven Liebich den Prozess machen“ hatte das Bündnis schon seit der ersten Instanz Betroffene dabei unterstützt, mit anwaltlicher Vertretung ihre Rechte im Verfahren wahrzunehmen. Ermöglicht wurde dies durch zahlreiche Spender:innen, welche mit ihren Spenden die anwaltliche Vertretung von insgesamt vier Betroffenen, auch als strategische Entscheidung, finanzierten.
Ohne den Kampf der Betroffenen von Straftaten Liebichs wäre das heutige Urteil nicht zustande gekommen. Jahrelang hatte die Staatsanwaltschaft Halle (Saale) Verfahren gegen den Neonazi mit teils grotesken, juristisch nicht mehr vertretbaren Begründungen eingestellt. Im aktuellen Verfahren war Liebich wegen siebzehn Taten verurteilt worden, bei zwölf davon hatte die Staatsanwaltschaft zunächst die Ermittlungen eingestellt. Betroffene hatten hiergegen über mehrere Jahre hinweg, auch anwaltlich vertreten, Rechtsmittel eingelegt. „Ohne den erfolgreichen Kampf von Betroffenen hätte das Landgericht heute nur über fünf statt siebzehn Taten zu urteilen gehabt“, so Hindelang. „Betroffene hatten jahrelang nicht nur mit den Taten des Neonazis zu kämpfen, sondern auch dem Versagen der Staatsanwaltschaft, diese Taten zu verfolgen.“, so die Sprecherin. Die Kritik erstreckt sich ausdrücklich nicht auf die Sitzungsvertretung im Verfahren.
„Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage“ ist ein überparteiliches Bündnis aus über 100 Einzelpersonen und mehr als 30 Organisationen aus Halle, das sich entschieden gegen die extreme Rechte, Rassismus, Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sowie gegen jede Diskriminierung und für Zivilcourage einsetzt. Im Jahr 2017 wurde es als „Botschafter für Demokratie und Toleranz“ durch das von den Bundesministerien des Inneren und der Justiz getragene BfDT ausgezeichnet.